Das Gemeinsame: Abstraktion oder Körperlichkeit? Aktualisierung einer historischen Perspektive - Samo Tomšič - Samo Tomšič - HFBK
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Das Gemeinsame: Abstraktion oder Körperlichkeit? Aktualisierung einer historischen Perspektive - Samo Tomšič
Das Gemeinsame: Abstraktion oder Körperlichkeit? Aktualisierung einer historischen Perspektive (DE)
Die Frage nach dem Gemeinsamen war bekanntlich einer der zentralen kritischen Momente der modernen Ästhetik. Man begegnet ihr am deutlichsten bei Kant und Hegel, aber auch bei dem Versuch der britischen Aufklärer (z.B. Burke und Smith), Sozialität und Ökonomie zusammenzudenken. Jüngere kritische Lektüren der beiden ästhetischen Traditionen, der deutschen und der britischen, haben jedoch gezeigt, dass die darin angestoßenen Denkversuche des Gemeinsamen auf einer konstitutiven Ausschließung des Anderen beruht – als einer Verkörperung der irreduziblen Differenz. Folglich wird etwa der Kant’sche sensus communis (Gemeinsinn) zu einer entkörperten und daher indifferenten Abstraktion, die niemals materiell realisiert wird. Das gleiche gilt für jegliches Verständnis des Gemeinsamen, das unter den realpolitischen und -ökonomischen Bedingungen nur als ein „schönes“ regulatives Ideal angestrebt werden kann. Zugleich enthalten diese kritischen Genealogien der modernen politischen Philosophie (und Ästhetik), sowie auch die jüngsten philosophischen Auseinandersetzungen mit der fortschreitenden Klimakrise und der ressentimentalen Politik, ein neues politisch-ästhetisches Paradigma: eine systematische Überlegung zu etwas, was man corpus communis nennen kann – d.h. die Idee einer geteilten, gemeinsamen Körperlichkeit, die ein neues, kritisches und materialistisches Denken des Gemeinsamen zu begründen sucht. Der Beitrag wird versuchen, dieses Paradigma des Gemeinsamen systematisch zu umreißen, und zwar sowohl in Bezug auf die aktuellen Diskussionen in der postkolonialen Theorie (Chakrabarty) und den Gender Studies (Butler), als auch rückblickend auf die Kritik der politischen Ökonomie (Marx) und die Psychoanalyse (Freud).
Samo Tomšič bis April 2024 Vertretungsprofessor für Philosophie an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster Matters of Activity. Image, Space, Material an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsbereiche umfassen europäische Philosophie, politische Philosophie, Ästhetik und Theorie der Psychoanalyse. Ausgewählte Veröffentlichungen: The Labour of Enjoyment. Towards a Critique of Libidinal Economy (Berlin: August Verlag, 2019); The Capitalist Unconscious: Marx and Lacan (London: Verso, 2015).
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Im Blick auf den menschlichen Körper ist die Ordnungsform ‚Archiv‘ als das techno-mediale Arsenal zu verstehen, das Körper und Subjekte historisch geformt hat und weiterhin Identitäten, Handlungsweisen, Machtverhältnisse und Gemeinschaften gestaltet. Das ‚Archiv‘ funktioniert als epistemologisches Regime. Es besteht aus Repräsentationssystemen, Diskursen, Institutionen, Konventionen, Praktiken und kulturellen Vereinbarungen. Es bestimmt, welche Körper, Geschlechter und Sexualitäten sichtbar werden und welche nicht, welche kulturell, sozial und ökonomisch zählen und welche als nutzlos gelten. Denn Körper sind nicht einfach gegeben, sondern werden durch Prozesse der Beschreibung, Abformung, Modellierung, Nach- und Abbildung hervorgebracht. In den fünf Kapiteln Körper im Kontext, Medizinische Körper, Datenkörper, Narrative vom Psychischen und Verletzliche Körper werden historische Archivbezüge aktualisiert und die gesellschaftlichen und kulturellen Subjektivierungsweisen durch solche Datensammlungen, ihre Auswirkungen auf das Persönliche und das Politische theoretisch und ästhetisch untersucht: Kritische Analyse trifft auf Formen des Widerständigen.
Mit einem Symposium, einer Ausstellung, einem Filmprogramm mit Recherchematerial zum begehrenden und sexuellen Körper sowie einer umfassenden digitalen Publikation in Zusammenarbeit mit der Klasse Digitale Grafik der HFBK Hamburg.