Wildes Wiederholen im Archiv der DDR-Opposition: Urangestein als beunruhigende Materie in „Sonne Unter Tage“ (2022) - Ulrike Gerhardt - Ulrike Gerhardt - HFBK
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Wildes Wiederholen im Archiv der DDR-Opposition: Urangestein als beunruhigende Materie in „Sonne Unter Tage“ (2022) - Ulrike Gerhardt
Der Artikel „Strahlen aus dem Archiv der DDR-Opposition: Beunruhigende Materie in Sonne Unter Tage (2022)“ analysiert den Film Sonne Unter Tage von Mareike Bernien und Alex Gerbaulet und fragt, auf welche Weise die Hinterlassenschaften des fossilen Sozialismus und der atomaren Ära hier ins Bild gesetzt werden. Die Arbeit ist das Resultat einer künstlerischen Recherche zum Thema Uranabbau im Erzgebirge u.a. im Archiv der DDR-Opposition der Robert-Havemann-Gesellschaft, im Archiv Bürgerbewegung Leipzig, im Museum Uranbergbau Bad Schlema und im Schaubergwerk Ronneburg. Die verwundete Landschaft, die durch das Bergbauunternehmen Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut ab 1946 über Jahrzehnte hinweg geformt wurde, tritt als eine anthropozäne und materiell-diskursive Konfiguration hervor, in die sogenannte „Immanations-Bilder” eingeflochten sind (Monnet 2022), welche das Element Uran, seinen Abbau und radioaktiven Zerfall aus neumaterialistischer und spektraler Perspektive vorführen: „[…] aus der aufgerissenen Erde strahlt ein uraltes Gestein“, wird der Film vorgestellt. In Berniens und Gerbaulets filmischer Arbeit wird den Beziehungen von Körper und Landschaft, Visualität und Extraktion wie auch Reinheit und Kontamination besondere Aufmerksamkeit gewidmet – nicht zuletzt angesichts des allmählichen Unlesbarwerdens der umweltaktivistischen Materialien des ‚Ostens‘ sowie der physischen und symbolischen Topografien der ehemaligen DDR.
Ulrike Gerhardt ist eine Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, die aus postsozialistischer und erinnerungstheoretischer Perspektive zur Transformationsgeschichte, beunruhigenden Materialitäten und digitalen Bildpraktiken nach 1989/1991 forscht und publiziert. Ab Frühjahr 2024 arbeitet sie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Kunst und visuelle Kultur im BMBF-Verbundprojekt DigiProSMK. Gemeinsam mit Suza Husse ist sie Co-Leiterin der nomadischen Videokunstplattform D’EST und realisierte 2023 den Zyklus Postsozialismus als Methode. Anti-Geografien kollektiver Begehren u.a. mit den Teilnehmenden krëlex zentre, Fehras Publishing Practices und Nhà Sàn Collective. 2024 wird ihre Dissertation zum ostfuturistischen Erinnern in postsozialistischer Videokunst veröffentlicht (Berlin: De Gruyter).
Moderation: Anika Bartens, Künstlerin, Promovendin an der HFBK Hamburg
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Im Blick auf den menschlichen Körper ist die Ordnungsform ‚Archiv‘ als das techno-mediale Arsenal zu verstehen, das Körper und Subjekte historisch geformt hat und weiterhin Identitäten, Handlungsweisen, Machtverhältnisse und Gemeinschaften gestaltet. Das ‚Archiv‘ funktioniert als epistemologisches Regime. Es besteht aus Repräsentationssystemen, Diskursen, Institutionen, Konventionen, Praktiken und kulturellen Vereinbarungen. Es bestimmt, welche Körper, Geschlechter und Sexualitäten sichtbar werden und welche nicht, welche kulturell, sozial und ökonomisch zählen und welche als nutzlos gelten. Denn Körper sind nicht einfach gegeben, sondern werden durch Prozesse der Beschreibung, Abformung, Modellierung, Nach- und Abbildung hervorgebracht. In den fünf Kapiteln Körper im Kontext, Medizinische Körper, Datenkörper, Narrative vom Psychischen und Verletzliche Körper werden historische Archivbezüge aktualisiert und die gesellschaftlichen und kulturellen Subjektivierungsweisen durch solche Datensammlungen, ihre Auswirkungen auf das Persönliche und das Politische theoretisch und ästhetisch untersucht: Kritische Analyse trifft auf Formen des Widerständigen.
Mit einem Symposium, einer Ausstellung, einem Filmprogramm mit Recherchematerial zum begehrenden und sexuellen Körper sowie einer umfassenden digitalen Publikation in Zusammenarbeit mit der Klasse Digitale Grafik der HFBK Hamburg.